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Gesundheitsnetz „Genial“ im Altkreis Lingen ist zehn Jahre alt

Lingen. Seit zehn Jahren besteht das „Gesundheitsnetz im Altkreis Lingen“, kurz „Genial“. Im Interview mit unserer Redaktion ziehen Vorsitzender Wolfgang Hentrich und der kaufmännische Vorstand Christoph Schwerdt eine Bilanz und umreißen die zukünftigen Aufgaben. Am 2. Juni lädt der genossenschaftliche Zusammenschluss zu einem Forum ins IT-Zentrum ein.

Herr Hentrich und Herr Schwerdt, das Ärztenetzwerk Genial im Altkreis feiert 2018 sein zehnjähriges Bestehen. Welche Vorteile sehen Sie in dem genossenschaftlichen Verbund aus ärztlicher Sicht?

Hentrich: In den vergangen zehn Jahren hat sich die kollegiale Zusammenarbeit und Kommunikation deutlich verbessert. Inzwischen machen 70 Ärzte in 31 Praxen in der Genossenschaft mit. Die verschiedenen Fachgruppen haben ein tieferes Verständnis für die Belange und Sorgen der jeweils anderen Disziplinen.

Schwerdt: Die verschiedenen Projekte ermöglichten den teilnehmenden Praxen, ihren Arbeitsaufwand und Arbeitsabläufe zu optimieren. Die Arbeits-und Berufszufriedenheit der Praxisteams hat sich merklich verbessert.

Und was hat der Patient davon?

Hentrich: Die strukturierte Zusammenarbeit verbessert nachhaltig die Behandlungsqualität. Dies zeigt sich unter anderem in der Reduzierung stationärer Krankenhauseinweisungen im Rahmen des Heimarztmodells. Die sektorenübergreifende Zusammenarbeit mit dem St. Bonifatius-Hospital zur Versorgung chronischer Wunden führt laut vorläufiger Auswertungen zu schnelleren Abheilung. Im Jahr 2017 führten wir eine netzweite Patientenbefragung durch. Die Patienten gaben an, sich gut und kompetent betreut zu fühlen. Sorge bereitete ihnen der immer länger werdende Vorlauf bei der Terminvergabe. Dieses haben wir zum Anlass genommen, uns in einer internen Arbeitsgruppe von Haus- und Fachärzten zusammenzusetzen, um uns dem Thema einer strukturierten Terminvergabe zu widmen.

Sie sagen, dass das Ärztenetz „über das reine Verschreiben hinaus denken will.“ Was meinen Sie damit konkret?

Hentrich: Gesundheit und Wohlergehen der Patienten hängen nicht nur von ärztlicher Behandlung ab. Wir glauben, dass Lebensumstände einen großen Einfluss haben. Wir bieten den Menschen durch gezielte Information und strukturierte Begleitung die Möglichkeit, eigenverantwortlich auf die Umstände einzuwirken. Deshalb haben wir das ganzheitliche Beratungsangebot „Genial Lotse“ entwickelt.

Schwerdt: Dieser begleitet Menschen im erwerbsfähigen Alter durch schwierige Lebenssituationen im Krankheitsfall. Er ist ein gutes Beispiel für die enge Kooperation unseres Ärztenetzes mit Institutionen und Organisationen im Sozialwesen. Als regionales Kompetenzzentrum für Gesundheitsfragen glauben wir, dass innovative Lösungen nur durch Zusammenarbeit aller an der Lebenswirklichkeit der Menschen Beteiligten gefunden werden können.

Wie beurteilen Sie die ärztliche Versorgung in Lingen und in der Region?

Hentrich:
Auch in Lingen ist die Anzahl der niedergelassenen Ärzte rückläufig. Seit Bestehen von Genial sind allein fünf Hausärzte ohne Nachfolge geblieben. Dennoch ist die ärztliche Versorgung in Lingen zumindest kurzfristig gesichert. Im Vergleich zu umliegenden Städten ist es gelungen, mehr Nachwuchs als ursprünglich erwartet zu gewinnen. Dazu trägt neben der Attraktivität der Stadt Lingen auch die gelebte Kultur der ärztlichen Zusammenarbeit bei. Die Altersstruktur der ärztlichen Kollegen wird dennoch zu einer weiter abnehmenden Zahl von Ärzten und Praxen führen. Der Auftrag, die Versorgung auch zukünftig sicherzustellen, bleibt.

Die Digitalisierung ist auch im Gesundheitswesen ein beherrschendes Thema. Was hat das Ärztenetz Genial bereits erreicht und wo sehen Sie die weiteren Herausforderungen?

Hentrich:
Auch im Jahr 2018 gibt es in Deutschland noch keine standardisierten und sicheren Austausch von Patientendaten. Die für 2019 angekündigte Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ändert daran nichts. Die geschilderten Herausforderungen für die Zukunft machen einen schnellen und sicheren Datenaustausch im Ärztenetz erforderlich. Die Genossenschaft hat daher den Entschluss gefasst, das Problem selber zu lösen. Der Aufbau eines sicheren und geschützten Datenaustauschsystems zwischen allen beteiligten Arztgruppen ist erfolgt. Die Herausforderung wird hierbei sein, Patienten, Ärzte und Praxisteams mitzunehmen. Auf lange Sicht wünschen wir die Beteiligung weiterer Partner des Gesundheitswesens.

Am 2. Juni laden Sie von 13 bis 18 Uhr zum „Genial-Patientenforum“ in das IT-Zentrum ein. Was können interessierte Bürger dort erwarten?

Schwerdt:
Wir laden alle Bürger herzlich ein, auch wenn sie nicht Genial-Patienten sind. Die Besucher können sich vertieft über alle Aktivitäten von Genial informieren. Zusätzlich bieten unsere Kooperationspartner Vorträge zu aktuelle Themen an. Die Vorträge befassen sich mit den Lebensumständen der Bürger. In allen Fällen besteht Raum und Zeit für Fragen und Diskussionen.

Zur Sache
Genial-Forum am 2. Juni

Mit den folgenden Vorträgen informiert das Genial- Patientenforum am Samstag, 2. Juni, im IT-Zentrum:

Um 14 Uhr in Saal 1 „Erfolgreich zum Wunschgewicht“ mit Ernährungsberaterin Silke Niemeyer; im Saal 2 „Patientenverfügung“ mit Rechtsanwalt und Notar Jochen Kopp und im Saal 3 „Die Versuch(t)ung des Digitalen“ mit Diplomsozialarbeiterin Katrin Vorjans. Um 15 Uhr geht es weiter mit „Impfen schützt“ mit Dr. Sebastian Bork im Saal 1, „Bündnis gegen Depressionen“ mit der Leitenden Medizinaldirektorin des Emslandes Johanna Sievering im Saal 2 sowie im Saal 3 „Machen Schulden krank?“ mit Sozialpädagoge Dieter Zapf vom SKM. Um 16 Uhr spricht Genial-Lotsin Beate Görtz aus Lingen im Saal 1 über „Begleitung und Ermutigung bei der Rückkehr ins Arbeitsleben“, Markus Wellmann, Geschäftsführer des katholischen Krankenhausverbandes, informiert im Saal 2 über die Frage „Was ist eigentlich Lebensqualität?“ Im Saal 3 referieren Erwin Heinen, Fachbereichsleiter für Arbeit und Soziales in Lingen und der Behindertenbeauftragte Klaus Egbers über „Rechte der Menschen mit Handycap“. Das letzte Vortragstrio beginnt um 17 Uhr mit „Grenzen überwinden bei der Versorgung älterer Menschen Pflege und Ärzte gemeinsam im Heimarztmodell“, den LWH-Leiter Michael Reitemeyer im Saal 1 hält. Im Saal 2 lautet „Boys don’t cry“ mit Sozialarbeiter Nils Freckmann das Thema und im Saal 3 „Hormonfreie Verhütung“ mit Gynäkologin Barbara Regenbrecht-Stauff.

Quelle: https://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/1228964/gesundheitsnetz-genial-im-altkreis-lingen-ist-zehn-jahre-alt Erschienen am 26. Mai 2018 in der Lingener Tagespost (Autor: Thomas Pertz)

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